Heute geht nichts mehr ohne Computer. Programmieren wird die Sprache des 21. Jahrhunderts, sagen viele. Aber müssen auch schon Kinder lernen, Code zu schreiben? Ein kurzes Plädoyer, warum das so sein sollte und warum Coding mehr ist, als der Maschine die Richtung zu weisen.
Sind MINT-Fächer noch ein Garant für einen "sicheren Arbeitsplatz"?
Lange galt das Studium der sogenannten "MINT-Fächer" (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) als Garant für einen sicheren Arbeitsplatz. Doch das scheint sich zu ändern. Schon vor gut einem Jahr war in der FAZ zu lesen, dass die Arbeitslosenzahl unter IT-Experten in den letzten Jahren um ein Drittel auf 8.500 Personen angestiegen sei. Ähnlich ergeht es vielen Ingenieuren, Ärzten, Physikern und Chemikern.
Natürlich sind die Zahlen marginal - im Vergleich zu anderen Berufsgruppen absolut betrachtet. Und die Ursachen sind vielfältig. Erst kürzlich titelte Golem: "26.000 arbeitslose IT-Experten bei 51.000 offenen Stellen" und nannte als einen Grund die nicht immer passenden Profile der Bewerber auf die offenen Angebote. Klar, wer vor 15 Jahren IT studiert hat, ist heute raus, wenn er sich nicht ständig weitergebildet hat. Eine ähnliche Entwicklung stellt auch das Schweizer Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich fest. Laut deren Studie steigt die Wahrscheinlichkeit für Informatiker im Alter arbeitslos zu werden an, im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen, wo sie mit zunehmendem Alter fällt.
Künstliche Intelligenz wird Programmierer überflüssig machen
Auf der anderen Seite steht die starke Entwicklung von Technik und künstlicher Intelligenz. Schon 2013 veröffentlichten die beiden Oxford-Forscher Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborn eine Studie, die auch für den IT-Programmierer keine gute Prognose aufstellt: Es gilt für sie eine 48-prozentige Wahrscheinlichkeit, durch Maschinen ersetzt zu werden – und das innerhalb der nächsten 20 Jahre. Schon heute existieren Programme wie die Spracherkennungssoftware Viv, die ihren Code je nach Anfrage des Users selbst schreiben und dynamisch aufbauen.
Warum also sollten Kinder dann überhaupt noch programmieren lernen? Oder anders gefragt: Wer würde die absurde Frage stellen, warum Kinder zu Hause die Sprache ihrer Eltern lernen sollten? Warum kommt in der Schule noch das Englische, Französische oder Spanische hinzu? Darum. Weil Sprache die Grundlage unserer zwischenmenschlichen Kommunikation und Interaktion bildet. Weil wir ohne Sprache, ganz platt gesagt, aufgeschmissen wären.
Digitales Verständnis wird immer wichtiger
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Welt stark verändert. Nahezu nichts existiert mehr ohne Computer und Algorithmen, angefangen vom Digitalwecker über den Ticketautomaten der Bahn bis hin zu Siri, dem Smartphone-Assistenten. Im Berufsleben reicht es in nahezu keinem Bereich mehr aus, nur Word und Excel bedienen zu können. Ob Journalisten, Marketingmanager oder Historiker, sie alle sollten im Stande sein, Datenstrukturen zu verstehen, Analogien zu bilden und dem Computer glaubhaft zu vermitteln, die richtigen Werte aus der Datenbank auszuspucken. Sie müssen verstehen, wie der Computer funktioniert, um das zu bekommen, was sie brauchen. In England beispielsweise hat man diesen Trend bereits erkannt und unterrichtet Informatik, neben den üblichen Hauptfächern, ab der ersten Klasse.
Programmieren ist viel mehr als nur Code zu schreiben
Wie "normale" Sprachen, bestehen auch Programmiersprachen lediglich "aus einem Alphabet, einem Vokabular, einer Syntax und einer Grammatik", wie es die Süddeutsche Zeitung treffend beschrieb. Das Programmieren lernen ist jedoch noch vielfältiger als nur Semantik und Syntax – es verlangt Logik, die Fähigkeit zum Richtige-Schlüsse-ziehen, Genauigkeit, Sorgfalt, mathematisches und räumliches Verständnis und noch vieles mehr. Durch das schnelle Erfolgserlebnis "Es läuft!" werden Kinder motiviert. Wenn es nicht läuft, lernen sie den Fehler zu suchen und andere Ansätze zu probieren. Vieles, was Kindern auch in der Schule oder im analogen Leben zu Gute kommt. Und später im Beruf, wie neulich von Zeit Campus berichtet.
Und mit den richtigen Methoden und Trainern ist Programmieren lernen noch einfacher als jede Fremdsprache.
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